Liebe ist kein Gefühl.

„Gefühle wohnen im Menschen; aber der Mensch wohnt in seiner Liebe. Das ist keine Metapher, sondern die Wirklichkeit: die Liebe haftet dem Ich nicht an, so daß sie das Du nur zum Inhalt, zum Gegenstand hätte, sie ist zwischen Ich und Du“.

Martin Buber. Aus: Ich und Du (erster Teil)

Ich finde, in diesem Zitat sehr viel Tröstliches.

Wenn wir uns die Qualität von Gefühlen vergegenwärtigen, stellen wir einerseits fest: Gefühle sind immer da und – andererseits – sie sind sehr unbeständig.

Können Sie die Gefühlszustände, die Sie in den letzten 60 Minuten wahrgenommen haben, noch erinnern…?

Es könnte vielleicht so gewesen sein: Erschöpfung (der Text am PC ist fertig) , Enttäuschung (immer noch keine Bestätigung von meiner Auftraggeberin ), leichte Unruhe (kurz online Nachrichten gelesen), Ängstlichkeit (bestimmte Nachrichten sind schlimm), Irritation (verbunden mit dem Gedanken, ich sollte nicht so viel online Nachrichten lesen), Neid (die WhatsApp von meiner Schwägerin, bei der home office und home schooling super zu laufen scheint), dann Hunger (18 Uhr, noch nichts gegessen), Vorfreude (auf die Tiefkühlpizza), Ekel (schimmeligen Joghurt entdeckt), Zufriedenheit (hmm, Pizza war lecker), Langeweile (verbunden mit der Überlegung soll ich jetzt einen Film schauen?) und plötzlich: Neugier (verbunden mit der Frage was steht eigentlich in diesem Paartherapie Blog?) … das waren immerhin 11 Stimmungen (und eine Körperempfindung) in 60 Minuten!

Gefühle sind Fakten, aber nicht Wirklichkeit

Ich weiß nicht, ob Sie zurzeit noch schneller als sonst zwischen Emotionen hin- und herschaukeln oder ob die häusliche Isolation eher zu einer Verlangsamung in Ihrem Gefühlshaushalt führt – aber eins ist sicher: Gefühle sind immer da. Sie entstehen, halten sich eine Weile bei uns auf und vergehen wieder.

Und das bedeutet auch, dass uns einzelne Emotionen nicht allzu viel über die sogenannte Wirklichkeit sagen. Die Empfindungen sind zwar Realität, suggerieren sogar häufig eine gewisse Dringlichkeit (nimm mich wahr! ich bin wichtig! sagt – oder besser: jault – das Gefühl), sie sind dann aber auch sehr schnell wieder verschwunden.

Geborgenheit oder Orientierung geben uns Gefühle also nicht … wir können uns in Gefühlen nicht einrichten, nicht in ihnen zu Hause sein. Beständigkeit und Geborgenheit finden wir eher in unseren Werten und unseren Erfahrungen. Und: in der Liebe, die wir bewohnen.