Die Mehrzahl aller Paare, die zu mir in die Beratung kommen, wollen ihre Kommunikation verbessern. Damit ist häufig der Wunsch verbunden, weniger häufig oder weniger heftig zu streiten.

Konflikte in einer Partnerschaft sind unvermeidbar. Denn die Entscheidung für einen Partner oder eine Partnerin ist auch eine Entscheidung für ein bestimmtes Kontingent an Konflikten, die genau diese zwei Menschen, mit genau dieser einzigartigen Dynamik gemeinsam entwickeln und aufrechterhalten. John Gottman und sein Team haben immer wieder belegen können, dass circa zwei Drittel aller Konflikte, die Paare haben, unlösbar sind. Dieser Durchschnittwert gilt sowohl für Paare, die glücklich miteinander sind, als auch für Paare, die unzufrieden sind.

Muster beim Streiten

Ein Streit verläuft bei Ehepartnern meistens nach starren Mustern. Ewig gleiche Vorwürfe führen zu ewig gleichen Rechtfertigungen, die zu ewig gleichen Verstimmungen und dem ewig gleichen Gefühl, nicht verstanden und nicht geliebt zu werden, führen. Im Streit haben wir sowohl eine völlig eingeschränkte Sichtweise – wir sehen nur noch das Verletzende, Gemeine, Ungerechte und generalisieren gleichzeitig: Du bist immer…!

Im Streit gefangen, verhalten wir uns im hohen Maße reaktiv. Wir bilden uns ein, berechtigterweise destruktiv laut oder destruktiv vermeidend reagieren zu müssen, weil wir uns verletzt fühlen. Wir sind davon überzeugt: ich bin nur deshalb so, weil du so bist … Wir geben damit unsere Selbstverantwortung ab und unsere Werte auf – wir machen uns klein und werden unfrei.

Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.

Viktor Frankl

Katzenfutter vergessen

Nehmen wir an, mein Partner vergisst, Katzenfutter zu besorgen. Welche Geschichte spielt sich dann in meinem Kopf ab? Ich denke wahrscheinlich: er ist unzuverlässig, er denkt nur an sich, ich kann mich nicht auf ihn verlassen!

Kurzer Faktencheck: Stimmt diese Geschichte? Nein.

Ich versuche, etwas genauer zu sein. Und mich – auch körperlich – zu beruhigen. Langsam wird mir bewusst: ja, das Katzenfutter wurde vergessen. Das ist keine Katastrophe, und kein Symptom für Charakterschwäche. Mein Partner darf einen Fehler machen (ich mache auch welche). Meine Gedanken, Befürchtungen und Verallgemeinerungen entsprechen nicht der Realität, da diese komplexer und differenzierter ist.

Ich bin nicht verpflichtet, meinen Gedanken (und meinen Gefühlen) zu glauben. Ich kann mich ärgern, ich muss aber nicht. Ich habe die Freiheit, eine Entscheidung zu treffen, diesen Gedanken aufzugeben und mich zu fragen: was ist jetzt angemessen?

Streiten: Sieben kluge Gedanken zum Bessermachen

Die schwarze Brille. Wenn wir uns öfters enttäuscht fühlen, weil ein bestimmtes Verhalten kränkend wirkt, schreiben wir dem Partner negative Eigenschaften zu, Unzuverlässigkeit beispielsweise. Wir scannen dann den Alltag mit einer besonderen Brille und nehmen nur noch wahr, was unser Vorurteil bestätigt. Sämtliche Ausnahmen – also immer dann wenn unser Partner Zuverlässigkeit zeigt – werden nicht mehr registriert. Die schwarze Brille führt genauso zu einer verzerrten Wahrnehmung wie die rosa Brille der frischen Verliebtheit.

Alles Idioten! Eine weitere Verzerrung, die unsere Streitmuster befeuert. Wir messen mit zweierlei Maß. Unser eigenes Fehlverhalten definieren wir als situativ bedingt, also: ich habe einen Fehler gemacht, weil die Umstände ungünstig waren … Das Fehlverhalten unseres Partners hingegen wird als Zeichen einer Charakterschwäche interpretiert – oder zumindest als beabsichtigte Rücksichtslosigkeit.

Verantwortung. Ein Streit entsteht immer dann, wenn zwei Personen gleichzeitig eskalieren. Wenn Sie und Ihr Partner häufig und heftig streiten, und Sie damit aufhören möchten – dann wird das nur passieren, wenn einer von Ihnen – oder beide – nicht eskaliert. Sie können jederzeit beschließen, aufzuhören. Vielleicht hilft es, sagen zu können „Ich glaube, das tut uns beiden nicht gut. Ich gehe mich mal kurz beruhigen.“

Nullsummenspiel. Wenn wir uns in der Liebe Machtkämpfe liefern um zu gewinnen, haben wir schon verloren. Die Liebe und die Freundschaft sind soziale Räume, in denen das Spiel so gespielt werden muss, dass es immer weiter gehen kann – gewinnen oder verlieren sind Optionen, die in diesem Raum keine Berechtigung haben.

Küchenspüle. Umso mehr dreckiges Geschirr in den Abguss stapeln, umso weniger verstehen Sie, worum es bei dem Streitanlass geht. Wenn schon streiten: bleiben Sie bei einem Thema. Dann lohnt es sich vielleicht.

Die Apokalypse. Aus der Paarforschung wissen wir, dass häufiges, heftiges Streiten Liebesbeziehungen zerstört. Die sogenannten apokalyptischen Reiter – Kritik, Verachtung, Rechtfertigung und Mauern – wurden von John Gottman so bezeichnet, weil sie mit hoher Wahrscheinlichkeit dazu führen, dass Paare sich trennen.

Ziele verfolgen. Auch wenn Sie verletzt sind und sich ärgern – bleiben Sie sich und Ihrem Ziel treu. Wenn Ihr Ziel ist, langfristig eine zufriedene, stabile Liebesbeziehung zu haben, lohnt es sich, Streit zu vermeiden. Sie können sich jederzeit entscheiden, nicht zu streiten. Vielleicht hilft es, sich zu fragen „Will ich Recht haben, oder glücklich sein?“