Caterina hat mir die Geschichte ihrer Beziehung so erzählt:

„Wir stammen beide aus einem kleinen Dorf in den Abruzzen, in Süditalien, und wir waren die einzigen unseres Jahrgangs, die aufs Gymnasium wechselten Wir haben zusammen gelernt, wir waren Schulfreunde, mehr nicht. Nach dem Abitur haben wir uns aus den Augen verloren, ich wusste nicht, wo Carlo hingezogen war. Völlig überrascht war ich daher, als wir uns eines Tages in der Unibibliothek in Berlin wieder getroffen haben. Ich habe mich wirklich gefreut! Es stellte sich heraus, dass er mit einem Erasmusstipendium nach Berlin gekommen war. Ich habe Germanistik und Politikwissenschaften studiert und war schon nach dem ersten Semester nach Deutschland gezogen.

Ich war damals in einen deutschen Kommilitonen verliebt, unerwidert und furchtbar unglücklich. Carlo hat mich getröstet, sein (italienischer) Humor und seine Kochkünste haben mir gut getan. Ich habe ihn immer noch als den alten Schulfreund gesehen. Im Dorf, aus dem wir stammen, fingen die Leute allerdings an, über uns zu reden und unsere Eltern meinten, wir würden uns sicher bald verloben. „Moglie e buoi dei paesi tuoi“, sagt man bei uns und das heißt, dass deine Ehefrau und deine Ochsen aus deinem Dorf sein sollten… na ja, ich fand diesen Spruch schon immer blöd, und ich war weit weg gezogen, um eine andere Welt kennenzulernen.

Als Carlo dann wieder zurück nach Italien ging, merkte ich jedoch, dass mir etwas fehlte. Ich wollte es gar nicht wahrhaben: Carlo fehlte mir! Zu meinem 25. Geburtstag kam er nach Berlin, er hatte sein Studium in Italien abgeschlossen, und wir merkten dann beide, dass aus Freundschaft mehr geworden war. Mich verband mit Carlo ein tiefes Gefühl von Vertrautheit, das ich Liebe nennen würde. Tatsächlich haben wir uns dann im darauffolgenden Jahr verlobt und ein Jahr später geheiratet! Wir hatten ein schönes Haus, ein schönes Leben und waren glücklich.

Allerdings merkte ich bald, dass mir die Besuche aus der Heimat zu viel wurden. Meine Schwiegermutter, meine Eltern, diverse Nichten, Neffen und Cousinen fühlten sich bei uns wie im Hotel. Es war ein ständiges Kommen und Gehen, und ich fühlte mich von meiner Schwiegermutter zunehmend kontrolliert. Ich koche nicht gern, und unter dem Vorwand, uns zu helfen („sonst muss Carlo ja alles selber machen“) kam sie drei, vier Mal im Jahr nach Berlin und blieb dann wochenlang. Sie war verwitwet und Carlo traute sich nicht, ihr zu sagen, dass es mir zu viel war. Ich selbst traute mich auch nicht, und meinte, dass müsste Carlo regeln. Wir stritten sehr viel. Ich vergrub mich in die Arbeit, und war überhaupt nicht mehr gern zu Hause. Wir hatten kaum Sex, an den Wochenenden war ständig Besuch da, und jeder fragte mich, warum wir denn noch keine Kinder hätten. Ich war so genervt, dass ich zu meiner Freundin zog, als wieder mal ein Schwiegermutterbesuch anstand. Darüber war Carlo so wütend, dass er zuhause die Schlösser auswechselte.

Meine Eltern waren außer sich, und die ganze Verwandtschaft rief an, um zu fragen, ob ich Carlo verlassen oder er mich rausgeschmissen habe. Die Situation war völlig verfahren, und genau da merkte ich, dass ich schwanger war! Wir mussten nun entscheiden, ob wir zusammen eine Familie gründen wollten oder getrennt für unser Kind sorgen würden. Ich hatte damals wirklich die Hoffnung verloren, dass wir das zusammen schaffen würden. Und da machte Carlo einen ganz verblüffenden Vorschlag. Er hatte das Angebot bekommen, in Vancouver eine Abteilung aufzubauen, und er sagte mir, dass er niemals auf mich und unser gemeinsames Kind verzichten würde. Er glaubte ganz fest daran, dass uns dort, zu dritt, ein neuer Anfang gelingen würde. Wir sind dann nach Kanada gezogen, obwohl ich voller Zweifel zwar. Ich hatte den Eindruck, dass zu viel kaputtgegangen war, und ich wusste auch erst gar nicht, ob uns das gut tun würde, wenn wir ganz auf uns allein gestellt sein würden.

Und dann haben wir in den Monaten nach unserem Umzug wirklich angefangen, miteinander zu reden. Wir hatten dort keine Freunde, und wir haben hart an unserer Beziehung gearbeitet, auch mit Hilfe eines Paartherapeuten. Ich habe den Eindruck, dass wir erst da richtig erwachsen geworden sind. Das ist jetzt acht Jahre her. Wir haben drei Kinder, und einmal im Jahr sind wir zu Hause bei unseren Eltern. Wir wissen jetzt, was uns gut tut, und dass es in unserer Verantwortung liegt, unsere Ehe zu schützen. Ich bin unendlich froh, darüber, dass wir damals nicht aufgegeben haben.“